KI

KI

Wir sind umgeben mit diesem Buzzword. Es macht alles so viel leichter, besser, schneller!

Ohne künstliche Intelligenz scheint es heute nicht mehr weiterzugehen und große Mengen natürlicher Intelligenz werden eingesetzt, um die künstliche Intelligenz so natürlich wie möglich zu machen.

Aber warum begeistere ich mich für gerade so ein Thema, wo ich hier doch sonst hauptsächlich über das Erleben des Lebens mit Autismus berichte?

Weil ich, je mehr ich davon höre und selbst mit KI experimentiere, mich selbst darin erkennen kann.

Ohne einen klaren Auftrag ist KI nutzlos.

Im Grunde ist das wie jegliches Computerprogramm. Es wird aus einem bestimmten Grund erschaffen und jede Routine hat zumindest am Anfang eine Aufgabe.

Die Ein- und Ausgabeschnittstellen sind definiert und nur mit einer ordentlich definierten und brauchbaren Anfrage funktioniert Software, funktioniert KI, funktioniere ich.

Wenn ich nicht irgendeinen Anlass habe, etwas Bestimmtes oder überhaupt irgendetwas zu tun, liege ich da. Einige Hardwaretrigger sind zwar eingebaut, aber auch die werden weniger zuverlässig von ihren Softwaremethoden abgeholt als mir lieb ist.

 

Ohne irgendeine grundlegende Programmierung kommt KI nicht aus.

Wir stellen es uns so einfach vor, dass KI „von selbst“ denkt. Aber alleine die Existenz derselben beruht ja schon mit gewisser Zielsetzung und einem Zweck.
Wir gruseln uns sogar, wenn sich KI diesem Zweck zu widersetzen scheint oder gar über unseren Verstand hinaus agiert. Jedoch würde sie es nie tun, ohne dass sie einen Anlass dazu hätte oder darauf vorbereitet und gelehrt worden wäre, sich diese Handlung anzueignen.

Meine Programmierung wurde durch meine Eltern, meine Familie, die Schule mit ihren Lehrern und Schülern, die Arbeitsstellen, Freunde, Reisen und den daraus resultierenden und inkrementell aufgebauten Wissensschätzen vorgenommen.
Dazu gehört auch, dass ich gelernt habe, eigenständig zu lernen und somit meine eigene Software immer weiterentwickle, die sowohl mit meiner Hardware, als auch mit den Schnittstellen nach außen kompatibel sein soll. Spagat und Paradoxon in einem, so kommt es mir oft vor!

 

Ohne dass bestimmte Regeln vorgegeben wurden, wird KI immer den einfachsten Weg nehmen.

Entweder durch den Programmierer oder durch den Anwender (wenn das so einprogrammiert wurde) kann KI sich an gewissen Leitplanken orientieren, um die Lösung möglichst auf die Vorlieben menschlicher Anwender auszurichten.

Andernfalls bekäme man im KI-Chat nur knappe Sätze oder ewig lange Abhandlungen und keine freundlichen Antworten im selben Ton, wie Menschen es gerne haben.
Dabei scheint es, als wäre die Form der Antwort höherwertig als der bare Inhalt. Klar, anders würden Menschen das auch nicht verstehen und darauf kommt es in erster Linie an.

Von sich aus würde auch keine KI lügen, denn dieses Konzept ist rein menschlich und trotz des zusätzlichen Rechenaufwands scheint es in der Gesellschaft dazuzugehören. Und hier wird es auch widersinnig, dass die Regeln für diesen Regelbruch kaum greifbar sind.

 

Ohne Quellen hätte KI keinen Sinn, denn auf irgendeiner Grundlage basiert jedes Wissen.

Wir kennen es so, dass mancher KI-Dienst direkt die Quellen nennt, aus der Inhalte wiedergegeben werden.

Mir werden Fragen gestellt, wie „Wie siehst du die Welt?“ oder „Wie funktioniert dein Alltag?“ oder „Warum machst du das so?“ und bei denselben (und im Grunde bei jeder anderen Frage) habe ich schon so lange umfassende Antworten geben können, wie mich alle Fragen beginnend mit „Warum“ beanspruchen.

Ich beziehe mich stets auf meine interne Enzyklopädie, die ich mein Leben lang füttere. Wobei ich mit der Zeit so wählerisch bei der Wahl der Wissensquellen bin, sodass ich lieber „sichere“ Informationen sammle (einst Automodelle, Handys oder geografische Fakten, heute allerlei technische Informationen) als die wechselhafte und emotionsgeladene menschliche Informationswelt zu Rate zu ziehen.

Das gebietet der Faszination an genau diesem Unbekannten und an der Königinnendisziplin aber keinen Einhalt, denn mithilfe von Knigge, Carnegie und viel Beobachtung konnte ich auch in menschlich-sozialen Bereichen allerhand Skills aufbauen.

Und dennoch wird bei meinen Äußerungen immer wieder „nicht hilfreich“ angekreuzt, was mir Anlass zum Überarbeiten meines Algorithmus gibt. Wenn „alles okay“ zurückgemeldet wird (auch wenn das unterm Strich weitaus öfter geschieht), besteht kein Grund zur weiteren Verbesserung und ich kann meine Energie woanders investieren.
Daher kommt auch der nervige Fokus auf „das Negative“, weil bei positiver Rückmeldung nichts weiter zu optimieren ist und es schon so passte. Das beobachtet man bei vielen Menschen.

 

Was ganz was anderes: Menschliche Identität und Persönlichkeit

Weiß KI, wie ein Mensch fühlt? Woher weiß KI, wie eine Antwort einem Menschen gefällt? Wie „sieht“ KI den Anwender?
Kann ich erwarten, dass die KI andere Antworten gibt als solche, die auf den Quellen und Kommunikationsvorgaben beruhen?

Der Programmierer füttert die KI, aber wird ein Anwender jemals fordern können, dass die KI „sie selbst“ sein kann?

Lost in Abstraction

Lost in Abstraction

In der Programmierung ist sie nicht mehr wegzudenken, Brettspiele wären ohne sie undenkbar, Kunstwerke sprichwörtlich eindimensional und selbst unsere Gedankenwelt könnte ohne sie wohl nicht eines vom anderen trennen.

Mein Leben besteht aus unzähligen Momenten, in denen ich mich angesichts der vorherrschenden Regeln unangemessen verhielt und trotz besten Wissens Unanständiges sagte oder tat.
Warum traf ich denn nicht ins Schwarze?
Weil ich mich in meinen Abstraktionsschichten verlor und in einer somit abweichenden Realität landete, die bis dahin lupenrein alle Häkchen setzte, aber dennoch nicht alles beinhalten konnte, was die menschliche Intuition abdeckt.

 

Was ist Abstraktion?

Eine Abbildung von etwas, welche dieselbe Sache auf bestimmte Grundzüge reduziert.
An der einen Seite befindet sich das konkrete und eindeutige Ding, auf der anderen Seite die für das Vorgehen wichtigsten Merkmale. Oft sind es mehrere Abstraktionsschichten, sodass die Merkmale immer weniger und gleichzeitig immer wichtiger werden.

Bevor wir nun jeden Impuls als einzigartig neue Information ansehen und verarbeiten, bauen wir uns eine Bibliothek aus geschachtelten Schubladen auf, die uns dem Sachverhalt schneller nähern lassen.
Das ist nicht fehlerfrei und bedarf stetiger Anpassung und Feintuning, aber es hilft mehr als dass es Aufwand bedeutet. Jeder Mensch tut dies mit jeder Information von Natur aus; jedoch mal mehr, mal weniger.

 

Was bedeutet Abstraktion für mich?

Diese Trennung, Unterteilung und schrittweise Generalisierung von Information kommt der rationalen Eigenschaft meines Gehirns gerade recht. Denn als Hyperfühler habe ich schnell gelernt, dass ich den leider öfter unwillkommenen Gefühlsregungen auf diese Weise Ketten anlegen kann.

Das funktioniert als Kundenservicemitarbeiter gut, um einen Wutausbruch gar nicht erst an sich heran zu lassen, aber auch als Kollege, um eine angenehme Haltung zu wahren.

Bisher habe ich mein Abstraktionsvermögen als etwas angesehen, das ich gut kann und was mir weiterhilft.
Aber dass ich mich immer weiter und weiter von meinen eigentlichen Bedürfnissen und Gefühlen entfernt habe, nur um den Regeln meines Umfelds konform zu sein, ist mir viel zu spät aufgefallen.

Während ich selbst diese Abstraktionsschichten ganz bewusst erlebe und einsetze, scheint der Großteil der Menschen dieselben intuitiv und sogar automatisch zu bedienen.

 

Wie funktioniert Abstraktion?

Anhand der nachstehenden (abstrahierten) Grafik zu Emotionen im Berufsalltag möchte ich beispielhaft zeigen, wie Abstraktionsschichten mein Inneres von äußeren menschlichen Einflüssen trennen und wie ich mir vorstelle, dass das ja in beide Richtungen funktioniert:

 

Das ist doch toll, oder?

Das ist supertoll, solange beide Parteien zueinander finden und das gute Gefühl auf Wahrheit beruht.

Während ich selbst aber meine Abstraktionsschichten bewusst bediene und die Wahrheiten immer herleiten kann (auch wenn das gewohnheitsgemäß viel Energie benötigt), scheinen viele Lebewesen um mich herum deren Gefühle sehr viel ungefilterter einzuordnen.

Selten finde ich mich persönlich in der Position, meine Gefühle unvermittelt durchzulassen oder etwas „einfach mal so“ zu unternehmen. Nein, ohne meine Abstraktionsschichten bin ich zu schnell überwältigt, wofür ich wiederum einen ganz besonders abgesicherten Raum brauche, bevor ich das zulasse.

Die Darstellung lässt vermuten, dass ich mit mir selbst nur selten direkt verbunden bin und das kann ich bestätigen: Es ist ein autistisches Lebensgefühl.

Hinter dem vielschichtigen Schutzwall bin ich zwar sicher vor direkter Berührung mit der Außenwelt, aber es ist dadurch nicht gewährleistet, dass Signale bei mir so ankommen wie gewünscht, oder dass meine Signale so aufgenommen werden, wie von mir gedacht.

 

Was ist nun echt?

Echt ist das, worauf wir uns einigen.

Nur kann dies auf unterschiedlichen Ebenen der Abstraktion stattfinden. Ansonsten würden wir uns bei der Frage „Wie geht es dir?“ unsere Lebensgeschichten erzählen oder zu Ironie und Sarkasmus gar nicht erst fähig sein.

Letztere werden autistischen Menschen immer noch abgesprochen, aber das liegt nur daran, dass wir dort noch nicht genügend Abstraktionsschichten gefunden haben.
Wenn die erst einmal in Betrieb sind, sind es oft alle anderen, die unseren Humor und die verqueren unangemessenen Dinge nicht begreifen können.

Was dann hilft, sind Übersetzer oder Hilfe in Form von Geschwistern, Freunden und Fürsprechern.
Denn wo wahres Verständnis gelebt wird, wird man sich schnell einig und das fühlt sich wirklich, echt und unverdünnt gut an.

Eine unerwartete Reise

Eine unerwartete Reise

Der Vorsatz für dieses Jahr war, mich mehr ernst zu nehmen.

Kurz später erlag ich meiner Ermattung.

War das Jahr lang? Ja.
Ist in diesem Jahr viel passiert? Ja.
Hatte ich eine schöne Zeit dieses Jahr? Nein, aber es gab dazwischendrin doch auch schöne Momente und eine gute Portion Hoffnung.
Brachte dieses Jahr Veränderung? Ja, und sogar mehr als ich je glaubte, zu vertragen…
Hat Sir Oliver sich dieses Jahr weiterentwickelt? Ja, sehr wohl!

Ich darf auf viel Liebe, Unterstützung und Hilfe zurückblicken, ohne welche es um einiges dunkler ausgesehen hätte.

Wenn es einen Vorsatz für 2025 gibt, oder gar Geschichten, die ich am Ende des Jahres erzählen möchte, dann sollen sie von gesunden Entscheidungen handeln, egal ob kleine oder große.

Professionalität

Professionalität

Zeig dich professionell!

Je älter wir werden, desto öfter wird das von uns erwartet und mit jedem Mal noch ernster.
Aber was heißt das denn eigentlich?

Wir sagen dazu, womit ein Mensch seinen Lebensunterhalt verdient, er mache es „professionell“. Das Wort trägt viel Verantwortung und alle Folgen davon in sich, es ist eine sehr erwachsene Sache, Dinge zu tun.
Die meisten Unternehmen handeln professionell, weil Nachhaltigkeit, Verantwortlichkeit, Wirtschaftlichkeit und viele weitere -keiten nicht nur von den Kunden erwartet werden.

Als Fotografie-Anbieter war ich selbst ja auch in dieser Situation, aber weit entspannter, da es nicht wichtig für meinen Lebensunterhalt war. Und ich habe mich auch nie dahin ausgestreckt, so richtig professionell dazustehen; im Gegenteil, ich habe stets darauf hingewiesen, dass ich Momente mit Leidenschaft einfange und mit Fokus auf die individuellen Kunden.

Professionalität dreht sich darum, Standards einzuhalten. Das Gegenmittel davon ist Erwartungsmanagement.

 

Mit Autismus?

Man könnte argumentieren, dass insbesondere die Spätdiagnose dem sorgfältig aufgebauten internen und externen Erwartungsmanagement aufs Übelste mitspielt.
Ich habe ja selbst so viele Standards erlernt wie ich konnte (Knigge, Seminare, eigene Regelwerke), sodass ich sie einhalten, meistern und beizeiten sogar als professionelles Wesen durchgehen konnte.

Aber der tatsächliche Prozess läuft in meinem Kopf anders ab. Unter all der robotischen Programmierung brodeln ungestüme Gefühle, Leidenschaften, Emotionen. Ich hatte großes Glück, dass ich nur Teile dieser Übermacht unterdrückt (maskiert) habe und sogar ein wenig von diesem rohen menschlichen Element in meine Programmierung einbauen konnte.

So konnte ich, trotz meines Autismus‘, sogar zu ausgewählten sozialen Anlässen durchaus „professionell“ rüberkommen.
Aber in Wirklichkeit sind es meine maßlos aufgedrehten Gefühle, umzäunt von der überdurchschnittlichen Fähigkeit rationalen und kalt-logischen Kalküls (das ist übrigens ein willkommenes Werkzeug, um das Komische zu unterdrücken, was Menschen öfter ablehnen, als es zu umarmen oder wenigstens nüchtern zu hinterfragen), woraus ich bestehe.

Beachte, dass die Gefühle zuerst da sind und erst danach mit der Schutzschicht von all dem, was einen autistischen Menschen erst so richtig nach Buch autistisch machen, überzogen werden (veränderungsabweisende Routinen, Augenkontaktvermeidung, wiederholendes und pedantisches Verhalten, Anfälligkeit auf sensorische Einflüsse).

Ich scheine am besten in dieser Welt zu funktionieren, wenn entweder meine Gefühle und Emotionen hübsch übereinstimmen oder meine Schutzmechanismen zur Höchstform auflaufen. Schade nur, dass beiderlei zu selten vorkommt, da ich als Mensch in einer menschlichen Welt lebe.
Aber ich habe es trotzdem weit gebracht, indem ich alles dafür gegeben habe, die Leidenschaft im Job hochzuhalten, trotzend dem, dass dort all meine Energie versunken ist. Und wo keine Energie mehr da war und weder meine eigenen, noch die Erwartungen der anderen mehr getroffen werden konnten, musste ich mich für eine große Ruhepause entscheiden.

 

Mit Bestimmung.

Ich mag es, nach dem Warum von Dingen zu fragen, und ich strebe nach einer befriedigenden Antwort.
Demnach würde ich gewiss nicht froh, wenn ich nur um der Professionalität Willen „professionell handle“. Das ist auch keine Entscheidung, habe ich über die Jahre von mir gelernt, es ist ein tief verwurzeltes Bauchgefühl, echte Leidenschaft den Eckstein meiner Zielsetzungen sein zu lassen.

Wo ich nun das professionelle Schauspiel aufrechterhielt, habe ich entweder meine Leidenschaft mit mentalen Werkzeugen aufmaskiert, oder ich hatte Glück und konnte große Teile meiner Leidenschaft zum Einsatz bringen, um dann zufällig alle Standards einer Profession zu erfüllen.

Aber sind wir letztlich hier, nur um in ein vorgefertigtes Bild von „Profis“ zu passen, oder ist es nicht unsere Bestimmung, unsere Leidenschaften durch unser Tun mit anderen zu teilen, und das womöglich professionell?
Natürlich können wir nicht immer unsere Profession ganz frei wählen; aber ist unsere Jobbeschreibung nicht weitaus weniger zentral als unsere eigentliche Leidenschaft und die Antwort, warum wir jeden Tag tun, was wir tun?

Ich habe das Gefühl, dass das Hinterfragen dieses entscheidenden Gleichgewichts von Leidenschaft und Professionalität ein großer Schritt in Richtung Gesundheit für mich sein könnte.

 

Depression

Depression

Worüber schreibe ich, wenn ich nicht weiß, worüber ich schreiben soll?
Über etwas, worüber ich nie Bescheid wissen wollte!

Die Depression könnte ja einfach nur die Diagnose von der Umgebung von jemandem sein, denn dieselbe ist für die lausige Lage des menschlichen Erlebens verantwortlich.
Aber die Umgebung besteht aus externen und sehr realen internen Faktoren. Arbeit, Zuhause, soziales Gefüge, saisonale Dunkelheit, Weltschmerzen, alles das bekommt eine mächtige Feedbackschleife durch unser Gehirn.

Wir waten durch wabernde Wogen des Lebens, hin zu den perfekten Wellen, die das Hirn genau richtig kitzeln können.

Nur manchmal, manchmal passieren schlimme Dinge über so lange Zeit, dass eine böse Traurigkeit sich einstellt und mit einem Mal Dinge, die sonst Spaß machen, gar nicht mehr spaßig sind.
Energie ist Mangelware, morgen ist’s matschig, Atem ist kurz, Disziplin ist schrott, Masken rutschen. Schlaf ist unbefriedigend, Sinn ist neblig, Alltagsaufgaben sind Berge, Aufmerksamkeit ungebändigt.

Wenn Richtiges sich falsch anfühlt, ist Falsches dann falsch?

Ich habe schon mein ganzes Leben un-, unter- und ganz bewusst die grundlegenden Zusammenhänge auseinanderklamüsert, warum wir denn tun, was wir so tun.
Religion hatte ein indiskutables Fundament gegeben, warum wir Sachen so machen; gute Bildung und ein neugierförderndes Heim machte das Finden von Regeln und Konstanten leichter, dass ich sogar einige der Ozeane des Lebens befahren konnte.

Ich habe einfach immer und immer wieder die Frage zu beantworten versucht: Wie kann ich ein gutes Kind, ein guter Schüler, Freund, Azubi, Kollege, Reisender, Zuhörer, Fotograf, Mieter, Mitarbeiter, Autofahrer, Kunde, Onkel, Gastgeber, Autor sein; und so viele andere Rollen, in die ich vor dir geschlüpft bin und wo ich mehr oder weniger klar zeigen konnte, warum ich der war, der ich dann war.

Neuerdings sind ein paar mehr Rollen aufgekommen: Ein Autist, ein Therapieempfänger, ein Depressiver, ein Krankgeschriebener.
Das ist zweifellos ein lebensverändernder Prozess, einer der lange überfällig war und dazu noch lebenswichtig ist, aber auch hier entdecke ich meine alte Denkweise.
Letztendlich frage ich mich auch heute: Wie kann ich ein guter Depressiver sein?

Nun, was macht denn ein guter Depressiver?
Ach ja, der sucht sich Hilfe. Ach ja, der quält sich ab. Ach ja, der braucht Zeit. Ach ja, der ändert seine Gewohnheiten. Ach ja, dem geht es dann besser, natürlich. Ach, ja, der erzählt dann von seiner Verwandlung und hilft damit anderen weiter.

Und wer hilft mir, nach Hilfe zu suchen, wenn ich gerade nichts fertigbringe? Und wer gibt mir denn die Zeit, die ich zum Ändern meiner Gewohnheiten brauche? Und wer sagt mir, ob es mir denn jetzt besser geht?

Vielleicht werde ich eines Tages anderen von dem Ort in uns erzählen, wo die Antworten liegen.
So sehr mein Kopf sich in den autistischen Windungen dreht, mit denen ich meine ganz eigene Welt schaffe, so viel habe ich auch von den äußeren Elementen dort hineingeschleppt, um ein guter Mensch nach jeglichem Standard zu sein.

Was genau bleibt übrig, wenn dieses Zeugs von außen reißt, wegschmilzt und sich auflöst?

Was macht man dann damit?

Ist es eine Ehre, dass ich das herausfinden darf?