Schwer
Aufstehen ist schwer, Frühstück machen ist schwer, Termine merken ist schwer, nach draußen gehen ist schwer, sich für etwas Gesundes entscheiden ist schwer, wach zu bleiben ist schwer, vom Nickerchen aufstehen ist schwer, Freunde treffen ist schwer, Termine vereinbaren ist schwer, schreiben ist schwer, Fotos machen und entwickeln ist schwer, einen Film anschauen ist schwer, duschen ist schwer, ein Story-Spiel spielen ist schwer, sich daran erinnern Wasser zu trinken ist schwer, einkaufen ist schwer, atmen ist schwer…
Das ist in der Tat sehr subjektiv! Was schwer ist – und was nicht – variiert stark von menschlichen Erlebnissen zu menschlichem Erleben.
Oftmals scheint es ein großes Kompliment zu sein, wenn man etwas leicht aussehen lässt. Ein Videospiel zu beenden wird als ehrenvoller angesehen, je höher die gewählte Schwierigkeitsstufe ist, und das Fahren mit Schaltgetriebe trennt die Fahrer der Straße.
Je größer unser Können, desto weniger Dinge sind schwer. Das wird sich mit dem Alter und den Erfahrungen verschieben, aber für jede Person, unabhängig vom Alter, wird es immer Dinge geben, die schwerer und leichter sind.
Nur sind wir nicht immer ganz ehrlich über das Ausmaß der Schwere; sei es, um vor anderen oder gar vor uns selbst als stark zu erscheinen.
Eine ziemlich fortgeschrittene Methode, die ich nicht im Geringsten beherrsche, ist, überhaupt nicht an die aktuelle Sache zu denken. Denn das macht die Wörter leicht und schwer irrelevant, bis hin zum rein physischen Level.
Da es universell schwerer ist, überhaupt mit etwas anzufangen, gewinnen wir andere auf unsere Seite, indem wir die Schwierigkeit herunterspielen: „Ist ganz einfach!“ wird vor allem Kindern öfter zugerufen als Erwachsenen. Aber wir lernen recht schnell, dass der schwerere Weg mehr an Belohnung bringt, besonders in Bezug auf die Anerkennung durch andere, und dieselben werden es uns ganz sicher auch so sagen.
Bei produktiven Unterfangen geben wir uns jede Mühe, Dinge leichter und nicht schwerer zu machen.
Wenn wir nun unser Leben als produktives Unterfangen betrachten, erscheinen wir erfolgreich, indem wir Leichtigkeit ausstrahlen, wo immer wir sind und was immer wir tun. Wenn wir hingegen mit harten Zeiten kommen, haben die Menschen es schwerer, sich damit zu beschäftigen, Probleme zu lösen oder einfach dem ausgesetzt zu sein.
Aber keine Sorgen, das kann auch auf seine Weise belohnend für die Beteiligten sein und es macht es ja auch leichter für uns.
Wie weiter oben angedeutet, können wir die Wahrnehmung von Realität etwas dehnen, um uns selbst (und andere) von Leichtigkeit oder Schwere zu überzeugen (ich halte mich von Letzterem gern fern). Aber wenn die Motive dahinter edel sind, verursachen wir keinen Schaden, wenn wir unserem Umfeld luftige Märchen von Leichtigkeit geben. Das wiederum bis zu einem gewissen Punkt.
Das habe ich immer im Leben angestrebt: Alle um mich herum sollen es leicht haben. Mit mehr oder weniger Erfolg habe ich mir einen Zustand scheinbarer Leichtigkeit erarbeitet, und so kennen mich die Leute.
Bis ich meine eigene Wahrnehmung nicht mehr weiter dehnen konnte.
Bis ich den Schmerz bemerkte, diese Leichtigkeit nur nach außen zu zeigen.
Bis ich keine Energie mehr hatte, um meine glänzende Rüstung zu tragen.
Weil mehr Dinge für mich schwer sind, als ich zugegeben habe.
Eines der schwersten Dinge in diesem Prozess der Veränderung ist, es zuzugeben. Zuzugeben, dass man tatsächlich Schwierigkeiten hat, und noch viel schlimmer: Dass man schon lange Zeit Schwierigkeiten hatte. Und dass man trotz alledem immer noch allen Beteiligten am eigenen Leben ein leichtes Leben machen möchte, halt nur nicht mehr so, wie es früher mal war.
Es gab eine Zeit, in der ich als gut komponierter Mensch funktionierte, aber jetzt fühlen sich sogar nach reiner Logik triviale Dinge wie eine tägliche Herausforderung an. Oder waren sie es eigentlich schon immer? Wo habe ich dann die Fähigkeit verloren, sie zu stemmen?
Ein Erwachsenenleben zu führen und gleichzeitig am Ende seiner Energie zu sein, nimmt alle Stoßdämpfung mit einem Schlag weg und ich spüre nun alles.
Warum sind all diese Dinge schwer?
Weil ich die Zusammenhänge verloren habe; für die Dinge, die mich innerlich am Laufen hielten, für die Dinge, die einfach so da sind und die man nicht identifizieren kann, bis sie dann fehlen.
Nenne es Autismus oder „wie ich funktioniere“, ich habe immer sehr grundsätzlich über meine Gründe, meine Antriebe, meine Motive, meine höheren Ziele nachgedacht. Ich kann nichts „einfach so“ tun, das ist unerträglich.
Waren es also die engen Routinen, war es täglich zur Arbeit zu gehen, das Leben im gemütlichen Hotel Mama™, die Reste der Energievorräte aus den vergangenen Jahren oder eine Mischung aus alledem, die mir half, mein Leben aufrechtzuerhalten?
Die Frage für dieses Jahr lautet: Wie stelle ich in meinem Leben wieder eine gesunde Ordnung her und wie lebe ich ehrlicher und leichter mit mir selbst und mit euch als den Menschen um mich herum?
Glücklicherweise darf ich viel Unterstützung, Liebe, Mitgefühl und auch noch Hoffnung erfahren. Diese ergeben eine fruchtbare Umgebung für Sir Oliver, to Evolve! ❤️