Es gibt immer einen Weg
Ich stehe da und an mir ziehen Klatsch und Tratsch vorbei. Wer hat sich wieder einmal am Strand blicken lassen und 2,5 Gramm zugenommen? Wer betrügt seinen Hund, indem er auf offener Straße einen anderen streichelt? Wie nimmt man in 3 Stunden 4 Kilo ab?
Das sind so Dinge, mit denen man in der Mülllawine konfrontiert wird.
Interessiert mich aber nicht im Geringsten, denn ich muss einfach nur alles was KEIN Papier ist in den Schacht neben mir werfen.
Ja, ich habe tatsächlich mal wieder eine Stelle im Recyclingwerk angenommen. Nur diesmal im größten der gesamten Südinsel, wenn das mal keine Sehenswürdigkeit ist! Muss man mal gemacht haben, nicht wahr?
Aber das einzig Gute an der Arbeit ist, dass sie bezahlt wird. Sind auch nur 2 Tage, dann geht es wieder zum Autowaschen. Dort kann ich den ganzen Tag mit Kopfhörern meine Musik hören und die Kollegen sind alle suuupernett. Außerdem ist das Waschen von Autos etwas befriedigender als unendlich im Müll zu wühlen. UND dafür bekomme ich noch Geld! 😀
Das zur aktuellen Situation. 🙂 Die WG ist auch toll und mit lieben Menschen gefüllt. Wir sind ein Kiwi Mitte 30, der hat den Raum mit eigenem Bad und ich teile mir mit 3 Studenten den anderen Flügel des Hauses. Ein Slowake, eine winzige Malaysianerin (die kennt übrigens die Automarke Proton) und einen weiteren Malaysianer, der nur für kurze Zeit bleibt.
Das ist aber nur ein kleiner Trost dafür, dass die liebe Tina Dunedin verlassen hat… Eine Arbeitsstelle ist der Grund für dieses verheerende Unglück.
Wieder einmal Abschied nehmen und nur Erinnerungen bleiben… Okay, ganz so schlimm ist es nicht, denn wir werden uns in der Zeit hier noch öfter wiedersehen können. Dennoch nicht mehr spontan, was schade ist. Bald gibt es auch einen Artikel von unserem letzten großen Streich. 😉
Zusammenhanglos ein dicker und ein dünner Vogel aus dem botanischen Garten in Dunedin:
Ich muss euch noch die Sarabande des vergangenen Montags weitergeben. Es trug sich wie folgt zu:
Ich stand auf, verzichtete auf die Dusche (würde ja sowieso stinken vom ganzen Müll), machte mir meinen Tee fertig und fuhr zum Recyclingwerk. Dort angekommen gab es Unstimmigkeiten: Für den Tag waren keine neuen Leute vorgesehen. Gut, die Agentur kann man ja immer anrufen…
Ich ging raus, suchte im Portemonnaie nach der Visitenkarte, fragte nach und es stellte sich nach einigen Telefonaten heraus, dass sie fälschlicherweise angenommen hatten, ich wäre schon dort gewesen und könnte ohne Einweisung arbeiten. War aber nicht der Fall. Da der Chef des Recyclingwerks nicht im Hause war, musste ich mich auf den Rückweg machen… Dabei bedeutet ein Tag dort 100 Dollar in der Tasche.
Auf dem Weg zur Wohnung liegt das Warehouse, ein Schnäppchenparadies. Damit sich der Tag wenigstens etwas lohnen sollte, landeten diverse Sachen in meinem Korb: Ein paar Dosen Baked Beans zum Spottpreis, ein Messer der Marke ‚Wiltshire‘ mit Schärfescheide. Ein solches hatte ich auch in der Gastfamilie zur Verfügung und es fehlte mir schon manchmal an einem wirklich scharfen Messer.
Dann etwas Milch und Brot, alles günstig und im Angebot und es ging zur Kasse.
An meiner kleinkarierten Erzählweise merkt ihr schon, in welchem Detail jetzt etwas Unerwartetes passieren wird: Richtig, meine linke Jackentasche war leer…
Dort, wo immer, IMMER mein Portemonnaie ist, war nichts. Die Kassiererin reagierte gelassen und ich wetzte zum Auto. Ich weiß eigentlich wohin ich meine Sachen lege, aber der Morgen war ja schon nicht ganz nach Plan verlaufen und so suchte ich einfach überall nach meinem Geldbeutel. Auch auf dem Weg zurück schaute ich auf dem Parkplatz, ob es mir wider Vertrauen in meine Jacke herausgefallen gefallen war. Nichts. Na super!
Die Ware wurde zurückgelegt und ich überlegte ruhig, wo ich es zuletzt in der Hand hatte. Demnach fuhr ich wieder zum Recyclingwerk und musste dort leider enttäuscht werden. Keine Spur vom Hüter der Kreditkarten. Ich schrieb meine Nummer auf und fuhr zurück zum Warehouse. Den ganzen Weg lang hielt ich meine Augen offen, obwohl ich zweifelte dass ich es auf dem Autodach abgelegt UND dort vergessen haben sollte. Keine Spur…
Auch im Warehouse hinterließ ich meine Nummer und ging mit freundlichen Ratschlägen der Mitarbeiter dort meine Shoppingtour nach… Sie sagten, sie hätten schon viele Dinge von Wert in Kisten und Kästen gefunden, manchmal erst nach Tagen.
Am benachbarten Supermarkt gab ich ebenfalls meine Nummer zu Protokoll, falls jemand es doch auf dem Parkplatz aufgehoben hat… Dann rief ich auf Rat der Warehouse-Mitarbeiter die Polizei an, denn dort landen ja auch viele Fundsachen. Noch war dort nichts eingegangen, aber sie würden sich melden…
Da stand ich nun. Mein Handyakku war durch die Telefoniererei fast leer, mein Tank zu allem Unglück ebenfalls und ich hatte mangels Geld und -karten wenig Aussicht auf Nachschub an Sprit.
Resignierend lehnte ich mich an mein Auto. Wegfahren hat ohne Portemonnaie keinen Sinn, und es befand sich nicht an den Orten wo ich an dem Morgen war. Ich machte mir Gedanken, welche Dinge ersetzbar sind und welche nicht: Unzählige Visitenkarten, Kassenbons, alle Kreditkarten, meine EC-Karte, 9 Dollar in bar, der PIN-Code für mein neuseeländisches Konto (Spaaaaß, der ist natürlich nur in meinem Kopf)…
Während der ganzen Zeit verzweifelte ich aber nicht. Das ist ein sehr interessanter Fakt. Ich schwitze zwar ordentlich, mein Herz schlug auf halb acht und der Motor riecht komisch nach einem Ausflug in die 7er Region am Drehzahlmesser, aber ich ging mit dem Problem durchweg sehr pragmatisch um. Wenn es nicht an einem Ort ist, dann ist es an einem anderen. Ganz einfach. Und auch der Plan für die ganzen organisatorischen Schritte, falls es wirklich verschwunden bleiben sollte, bildete sich in meinem Kopf. Es würde immer einen Weg geben. Es ist ja nicht alles verloren, denn das meiste ist ersetzbar und Neuseeland ist nicht soo kriminell dass man gleich alle Karten sperren müsste. Schön ist die Situation nicht, nur was soll man denn machen? Sich schluchzend am Boden wälzen? Nein, man lebt mit dem Umstand und versucht, alles so schnell wie möglich zum Normalzustand zurückzuführen. Und das hat keine gefühlsgesteuerten Handlungen im Programm…
Nun, ich vertraute natürlich schon dass es an einen ehrlichen Bürger gelangen würde, der es an eine der Stellen die meine Nummer hatten abgeben würde.
Und Gott sei Dank, den gab es! Denn als ich mich eines meiner wertvollsten Objekte entledigt so an mein Auto lehnte, klingelte mein Handy und mir wurde die frohe Nachricht verkündet: Ein Fahrer bei der Recyclingfirma hat das Portemonnaie gefunden und es liegt zur Abholung bereit!
Also ich unendlich erleichtert zum 3. Mal an dem Morgen auf dem Hof dort stand fragte ich nach, WO der Geldbeutel denn gelegen hätte. Ich wollte diese Fehlfunktion meiner selbst schließlich verstehen, damit sowas nie wieder passiert. Aber das konnte die Empfangsdame leider nicht sagen…
Und jetzt bin ich ein wenig paranoider geworden.