Der Tee braucht nicht mehr lange, bis er fertig gezogen hat. Das Aroma weht vielversprechend an meiner Nase vorbei und ich freue mich auf die wohltuende Wirkung des süßen Getränks. Ich trinke selten einen Tee abends. Noch seltener so spät. Aber heute muss es mal sein.
Nicht zuletzt, weil ich etwas nachdenken möchte und weil ich mich entschieden habe, diesen Blogeintrag währenddessen zu verfassen.
Noch vor ein paar Stunden stand ich im Theater auf der Bühne und und ich war Maik. Dann standen wir zu dritt auf der Bühne und haben uns verbeugt. Da war ich wieder Oliver und die Leute haben geklatscht und gepfiffen. Uns wurde uneingeschränkter Lob vom Publikum entgegen gebracht. Wie bei den vorangegangenen Aufführungen auch…
Vor einem halben Monat stand ich vor vielen Leuten. Eine Rose und die Urkunde über den 1. Platz in der Hand. Es wurden die besten Auszubildenden der Region geehrt. Es gab großen Applaus für jeden einzelnen.
Mein Grinsen ist perfekt. Vor mir liegt das wahrscheinlich feinste Steak, dass ich bis dahin in meinem Leben vorgesetzt bekam. Ein riesiges, saftiges, fettes Stück Fleisch, nach bester Art zubereitet, nur für mich. Und es war einfach nur lecker!
Ich war mit Freunden noch einmal unterwegs. Einmal noch gemeinsam den Gaumen erfreuen, bevor man sich lange nicht mehr sieht.
Hatte eigentlich Glück, dass der kulinarisch ebenfalls schwer effiziente Besuch beim Chinesisch-Mongolischen Buffet am Vortag mit einem (ehemaligen) Arbeitskollegen mir nicht mehr so schwer im Magen lag… 😀
Ich stehe vor der Tür und klingele zum zweiten Mal. Hat wohl keiner gehört, weil es drinnen so laut ist. Mein Onkel öffnet mir schließlich und ich stehe seit verhältnismäßig langer Zeit wieder in der vertrauten Umgebung des Hauses meiner Großeltern.
Meine Cousinen und Cousins begrüßen mich begeistert, ich freue mich ebenfalls sehr sie zu sehen. Mir wird klar, dass dieses Wiedersehen in ferner Zukunft einmal weitaus intensiver ausfallen wird und deshalb genieße ich ihre Gesellschaft.
Es sind diese bunten Treffen, die zu besonderen Anlässen wie z.B. Geburtstagen entstehen. Man sitzt mit den Verwandten entspannt beieinander, unterhält sich, knabbert was und lacht…
Bald werde ich fernab von all‘ diesem sein. Und deshalb genieße ich es jetzt umso mehr.
Ulla, unsere Regieassistentin kommt nach der Aufführung auf mich zu und gibt mit glänzenden Augen weiter, was ich nur schemenhaft im Applaus verstehen konnte. Es war toll! Die Theaterbesucher sind begeistert. Meine Darbietung stößt auf Ehrfurcht und Bewunderung.
Meine Reaktion darauf bringe ich auch verbal zum Ausdruck: Es freut mich. Es freut mich sehr, das Leben von Menschen für einige Zeit glücklich gemacht zu haben.
Meinen Eltern und mir wird der Hauptgang aufgetischt. Wir sitzen zu dritt an dem Tisch, an den ich gerade mitsamt Rose und Urkunde zurückgekehrt bin. Es ist ein extravagantes, feines Menü. Auch der Nachtisch kündete von einer kreativen Planung desselben.
Ich sitze im piekfeinen Ambiente mit den Leuten, denen ich verdanke dass ich hier sein darf. Mit den Menschen, die mir mal Sprechen beibrachten, mit denen ich die ersten Gehversuche machte, die mir Ordnung und Lebensweisheit nahebrachten. Die, die sich um mein Wohl sorgen, die meine eigenen Entscheidungen respektieren, die mir wahrscheinlich am meisten fehlen werden…
Der Tee ist leer, die Augen müde, das Tagwerk vollbracht.