Zwei Naturen

Mein Leben hat diesen roten Faden.

Einen Teil des Tages habe ich es leicht, mich von meiner besten Seite zu zeigen, aber den anderen Teil bin ich ein zurückgezogener Sturkopf.
Man wird mich Regeln und Gesetze einhalten, aber auch genau so viele herausfordern sehen.
Meine Vorliebe für die großen Geräusche in Filmen ist eben so real wie meine Schreckhaftigkeit in bestimmten Situationen.
Mein Raum kann schon mal in Unordnung untergehen, aber umso lieber habe ich dann das Aufräumen.
Man kann mich beobachten wie ich Leute vollquatsche, aber es gibt Momente in denen ich kein einziges Wort sagen mag.
Reisen liebe ich so sehr, wie ich einen ganzen Tag in meinem Zimmer alleine verbringen kann.
Umarmungen zählen zu meinen Leidenschaften, jedoch können Berührungen manchmal unerträglich sein.
Man wird mich die kreativste Lösung zu einer Aufgabe finden sehen, aber eine Stunde später frage ich dann nach den grundsätzlichsten Dingen.
Eines meiner Gesichter ist gut vorzeigbar, das andere bekommen nicht viele zu Gesicht.

Warum das so ist, konnte ich mir nie beantworten. Bis vor Kurzem.

 

Was ist die Form einer Person?

Eine Person hat einen Umriss. Wie in einem Malbuch, wo die Linien eine Form vorgeben und man sie nur noch ausmalt.
Man entscheidet selbst, welche Form und welche Größe man im eigenen Leben ausfüllen, anstreben und als welche man erscheinen möchte.
Wahrscheinlich sind die Formen von uns Menschen annähernd menschenförmig. Und das ist einfach die Art, wie wir an den Orten an denen wir uns finden leben.
Aber es ist immer die äußere Grenze unserer Form, wo es wirklich interessant wird und wir Arbeit mit der Umgestaltung haben.

Wenn wir uns nicht gerade in bewusster Selbstentwicklung befinden, besuchen wir diese Grenzen unfreiwillig: Außerhalb unserer bestimmten Komfortzone, in Krisen, beim Reisen generell, wenn wir unser Umfeld verändern oder uns aufwühlende Erlebnisse konfrontieren.
Dann entscheiden wir uns zum Halten, Erweitern oder Umformen, mit den frisch gewonnenen Erkenntnissen von uns selbst.

Und das ist völlig okay und ein unabdingbarer Prozess im Leben.
Wenn man jedoch mehr neblige Fragezeichen als greifbare Eindrücke von diesen Besuchen davonträgt, hinterlässt das einen verwirrt, frustriert und planlos.

In meinem Leben bin ich auf sehr viele dieser Fragezeichen gestoßen, wann ich auch immer an meinen Umriss kam. Aber dieser Umriss war doch immer mit Bedacht gewählt und kam allen meinen Wertvorstellungen nach.

 

Die Frage nach dem Warum

Klar, wenn man einer Frage begegnet, muss es auch eine Antwort geben. Nur konnte ich zu den aufkommenden Fragen keine Antworten finden:

Warum genau kann ich nicht wie alle anderen auf Partys gehen?
Warum fühle ich mich so extrem gestört wenn ich nicht vor dem Lokalradio fliehen kann, aber bin der RaveKing auf dem Festival?
Warum liebe ich Regeln so sehr, bin aber gleichzeitig dafür bekannt, dreimal um die Ecke zu denken?
Warum sind Klassik und Glitch Hop bei mir in der selben Playlist?
Warum friere ich ein, wenn mir jemand plötzlich etwas zu trinken anbietet?
Warum kann ich den ganzen Tag Liebe geben, habe aber etwas später keine Energie für ein Lächeln?

Diese Fragen scheinen albern ohne den direkten Kontext, können aber sehr wehtun wenn man dafür keine Antwort hat.

Für mich bedeutete das, dass ich mich an den meisten Tagen, also den guten Tagen, nicht um diese Fragen sorgen musste.
Aber sobald ich an diese nebligen Gebiete kam, hatte ich Schwierigkeiten zu begreifen wer oder was ich wäre, denn dort wurde mein Umriss einfach nur infrage gestellt. Das waren die seltenen, aber dafür umso intensiveren schlechten Tage.

Schon sehr früh habe ich mich dafür entschieden, den schlechten Tagen nicht zu viel Raum in meinem Leben zu geben. All mein Streben und meine Optimierungen hatten ein Ziel: Mehr gute Tage haben.
Aber das hat die Fragen auch nicht gelöst, denen ich immer und immer wieder begegnete.

 

Die erklärende Sache

Einst fand ich heraus, dass es da eine Sache gab die erklären könnte, woher meine gegensätzlichen Sonderlichkeiten und komische Verteilung meiner Schwächen und Stärken kam: Das Autismus-Spektrum.

Es ergab einfach Sinn und barg Antworten zu beinahe allen Fragezeichen meines Lebens, würde jedoch zwei Sachen erfordern:
Erstens die offene Akzeptanz meiner verborgenen Emotionen und zweitens die Umdeutung meiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Auch würde es ein Brocken für die sein, die mein anderes Gesicht nicht wirklich gekannt haben und dann mehr Fragen als Antworten aufkommen lassen. Und weiter: Ich wollte mich nicht an eine Erklärung klammern für Dinge in meinem Leben, die ich gerade zu umgehen lernte.

Und so wurde diese Sache eher eine Erklärung in der Hinterhand für die schlechten Stunden und funktionierte als beruhigendes Mittel, wann auch immer ich darauf zurückgriff.

 

Wendepunkt

Das Leben war ja nicht schlecht, bei Weitem nicht, wie der Blog bezeugen kann, aber die gräuliche Zone mit allen Fragezeichen und der schwerwiegenden Erklärungstheorie waren auch immer da und das alles konnte nicht aus meinem eigenen Kopf herauskommen.

Viele Jahre der Optimierung meiner eigenen menschlichen Form, aber nie Auflösung der ganzen wunderlich verbundenen Fragezeichen gingen ins Land und da entschied ich mich, loszuziehen und es herauszufinden: Ist meine langgehegte Antwort wahr oder nicht? Welche Teile meines Lebens werden sich verändern, egal was der Ausgang ist?

Und so zog ich los. Nach langen Wartezeiten (irgendwie ist die letzten Jahre die Nachfrage an psychologischer Hilfe gestiegen) bekam ich

 

Die Antwort

Asperger.
Eine Form von Autismus, eine Anomalie in der Entwicklung, die mit einer Leidenschaft für Routinen und Regeln, gut entwickelten sprachlichen Fähigkeiten, Schwierigkeiten im intuitiven Begreifen sozialer Situationen, einem Auge für Details und ebenfalls mit einer extrem erhöhten Sensibilität für Geräusche, Gerüche, Vibrationen und Inkonsistenz einhergeht.

Die Symptome bei jedem Menschen mit Autismus weichen ab, denn man wächst in unterschiedlichen Häusern auf, findet unterschiedliche Weisen mit ihnen klarzukommen indem man seine Fähigkeiten nutzt und man teilt die eigenen Herausforderungen unterschiedlich mit.
Manche sind sich schon seit der Kindheit bewusst, dass sie sich auf dem Spektrum befinden, manche finden das erst später im Leben heraus.

Meine Reise brachte mich vor ein paar Monaten zur Antwort.
Nun gibt es viele Dinge die ich klar sehen kann, viele Situationen die ich neu eingeschätzt habe, grundlegende Verbesserungen und die Gründe für so manche meiner Paradoxa.

 

Die Reise

Von so mancher Reise habe ich euch auf diesem Blog erzählt und es sind noch ein paar an der Reihe. Eine davon ist nun diese, von der ich nicht wusste dass ich mich mein ganzes Leben auf ihr befand.
Die Reise des bewussten Verstehens meiner selbst und wie ich funktioniere und wie ich es schaffe, Menschen glücklich zu machen.

Und auch diese Reise möchte ich mit euch teilen.

Was 2022 passierte: Zauber

Von allen unerwarteten Momenten in diesem Jahr tan sich manche mehr hervor. Denn von diesen gab es mehrere und nur von wenigen wusste ich zu Beginn.

Seit 2019 mache ich ja auch Hochzeitsfotografie. Und derweil die letzten Jahre weder den Paaren, noch den Fotografen geholfen haben, erlaubte uns dieses Jahr doch wieder etwas zu erschaffen. Etwas, das ich so zusammenfassen möchte: Zauber.

In einem bin ich mir sicher: 2023 wird von Weiterentwicklung geprägt sein. (Obwohl, ist das nicht jedes Jahr?)

Was uns erwartet, wissen wir nicht. Aber ich freue mich darauf!

Bis dann 😉

Das Ende des Archivs Teil 2

Könnt ihr euch noch daran erinnern, als ich voll davon war, meinen Lebensraum zu entrümpeln?
Damals war mir klar, dass ich nach meiner Rückkehr mein Leben in gewisser Weise anders leben würde. Und was ist daraus geworden?

Nun, die Grundidee war mich selbst neu zu definieren, denn die eigenen Besitztümer formen einen ja zu einem gewissen Grad.
Und es fühlt sich tatsächlich so an, als wären so einige schimmlige alte Elemente verschwunden, wodurch ich mich viel leichter auf das Hier und Jetzt und Morgen konzentrieren kann.
Nicht nur das, denn ich habe gleich am Tag nach meiner Ankunft bei meinen Klamotten weitergemacht. Noch waren kaum welche im mystischen Wäschezyklus verschwunden, und so holte ich alle sie aus den Schränken und joa…wer braucht schon 80 Paar Socken? 😀

Und ich fuhr fort: Meine Sammlung an Wertgegenständen konnte ich nun viel klarer sehen, ohne alles Zeugs drumherum: Was verkauft werden könnte, was ersetzt werden könnte, was ich tatsächlich auch mal benutzen könnte.
Optimierung ist der Begriff. Jetzt habe ich einen ordentlichen Monitor vor mir, ein angemessenes Paar Front-Lautsprecher und einen Blitz für die Kamera mit einem richtigen wiederaufladbaren Akku. Fühlt sich gut an!

Am wichtigsten aber ist, dass ich meine ToDo-Liste™ aus Dingen die ich mir selbst oder anderen vor Zeiten mal versprochen hatte, mal so richtig zerstört habe.
Das ist so ziemlich der Gipfel der Errungenschaften. Ich konnte viel klarer priorisieren und hatte nicht mehr so viele Leichen im Keller, wie man so schön sagt, die mich davon abhielten mich den lange aufgeschobenen Vorhaben zu stellen, welche auf passive Weise eine schlierige Zukunft aus „Dingen die ich mal tun sollte“ für mich formten.

Jetzt sind viele von diesen Dingen getan, gelöscht, in Termine oder Flugtickets umgewandelt und an manchen Tagen habe ich gar das Gefühl, spontan sein zu können. Freunde zu besuchen, ultra unnötigen Beschäftigungen nachzugehen oder das nächste langgehegte Vorhaben zu erschlagen und von einer weiteren Sorge frei zu sein.

Nie hätte ich gedacht, dass dieses halbe Jahr so eine tiefe und epochale Wirkung auf mein Leben haben würde. Ein Grund mehr, dankbar zu sein und zu sehen, wie Sir Oliver Evolves.

Das Überbleibsel

Ein halbes Jahr ist vorbei und es ist schnell vergangen.
Aber es war keine kurze Zeit, denn ich habe so viele wunderbare Erinnerungen mitgenommen und die Bilder sind der Beweis! Einige davon werde ich auch noch hier und jetzt zeigen.

Außerdem könnte ich mit nicht vorstellen, wie ein halbes Jahr zu Hause in der Abteilung Weiterentwicklung ausgesehen hätte. Jeder Schritt den ich gewagt habe und alle Orte an denen ich gewesen bin (vor allem im Kopf) wären nicht möglich gewesen, ohne dass ich das Glück dieser Möglichkeit in Anspruch genommen hätte…