Unverstanden
Unverstanden
Mein gesamtes Leben über habe ich gelernt, verstanden zu werden. Mich in die Form eines Wesens zu gießen, das Richtigkeit verkörpert; mit Werten und Weisen, die meine Mitmenschen glücklich und sogar in meiner Anwesenheit sicher fühlen lassen.
Ich habe gelernt, dass manche Dinge nicht sofort verstanden werden und dass manche wohlgemeinte Handlung oder Aussage entweder umfassende Erklärung brauchte, oder gar nicht erst geäußert werden musste.
Ich habe gelernt, dass wenn ich mich selbst besser verstehe und reflektieren lerne, ich mich auch besser erklären und meine Handlungen anderen zugänglicher gestalten kann.
Ich habe gelernt, dass mein Verhalten Namen hat.
Schritte eines Prozesses einzusparen, um das geforderte Ziel zu erreichen war dann faul, meine Gedankengänge zu erklären war dann ausschweifend, Tabuthemen anzusprechen, wo ich nicht um eine Regel dagegen wusste, war dann ungehobelt, meine Fähigkeit, versteckte Punkte in der Sprache oder in Situationen zu verbinden, war dann albern, 110% zu geben war dann richtig so, sich auf der Arbeit krankzumelden war dann unbequem, Details anzusprechen, die mir auffallen war dann erstaunlich, eine originelle Weltansicht zu teilen war dann auf Drogen, Informationen zu ordnen und dies mit anderen zu teilen war dann ein sagenhaftes Geschenk, Zeit alleine in meinem Zimmer zu verbringen war dann Rückzug.
Während nun keiner danach fragte, warum ich diese Dinge tat, habe ich mir immer gedacht, genau das erklären zu können, was in Ausschweifen und Erstaunen mündete.
Auch konnte ich die gegensätzliche Weise meiner Handlungsweisen mir selbst gegenüber weder erklären noch aufhören, mich darum zu sorgen.
Und wer sollte mir denn die Gründe sagen, warum ich all das so tat, einschließlich mir selbst?
Ich schien faul zu sein, auszuschweifen, ungehobelt, albern, immer aber Dinge richtig machend, während ich bestaunenswert und trotzdem unbequem, wie auf Drogen scheinend, sagenhafte Werke vollbringend, aber ein Stubenhocker.
Unverstanden auch von mir selbst, habe ich mich dann auf die Suche gemacht, was die eigentlichen Gründe für all das wären.
Aber diesmal meine eigenen Gründe, näher am Menschen hinter der Maske als alle Namen, die ich vom Außen bisher erlernt hatte.
Nur durch die resultierende Diagnose konnte ich einen anderen Blickwinkel auf mich selbst einnehmen, als den die bisherigen Wände mir stets und unaufhörlich gespiegelt hatten. Ein Zugang zu einer Welt, die Sinn zu ergeben begann. Eine Entdeckung von dem, was schon immer da war, unter der schweren Maske zu etwas verzerrt, das oh-so-wunderbar und oh-so-zerstörerisch war.
Ich beginne nun zu verstehen, warum ich an mancher Stelle auf gewisse Weise angesehen wurde.
Ein scharfer Punkt: Nicht jeder Ort gab mir sogleich die unglücklichen Namen. Manche Orte haben diese Namen auch verändert, nachdem sie die Gründe erfuhren, manche Orte tun dies noch überhaupt gar nicht.
Sollte ich weiter diese Orte davon überzeugen, dass es eine gute, produktive, nützliche Sicht auf das gibt, was ich verkörpere, oder sollte ich das ganz sein lassen?
Jemanden zu verstehen setzt das Verständnis für ihre Gründe voraus und Vertrauen in die Richtigkeit ihrer Werte. Wenn das gegeben ist, wird jede Interaction gesund und natürlich folgen.
Der Pinguin liebt sein Wasser und ein Esel mag nicht Pferd genannt werden, auch wenn er auf den ersten Blick wie eines erscheint.