Theaterstück

Theaterstück

Mein Leben fühlt sich an vielen Tagen an wie ein Wirbelwind, den ich bekämpfen muss um fortzubestehen.

Viele Menschen mit Autismus nutzen ihre Masken, das sogenannte Scripting und Methoden ihre Begegnungen und täglichen Aufgaben zu gestalten, um den Wirbel einzudämmen und im allerbesten Falle den Wind für sich arbeiten zu lassen.

Manche von uns, ich zum Beispiel, haben immer schon eine gewisse Sehnsucht verspürt. Beim Schauen von Serien oder Filmen, beim Musikhören oder beim Miterleben einer Bühnenperformance.
Ich fühle dann eine Lust, alle diese Gefühle auch fühlen zu können, mich einfach von der Emotion überkommen zu lassen und heulen, jauchzen, flennen oder lachen zu können, mit dem klaren Grund den die Szene liefert.

Nur gibt der Alltag selten, wenn überhaupt, eine solche klare Gelegenheit. Es gibt diesen Rahmen aus reinem grünem Licht einfach nicht, in dem wir nach Herzenslust fühlen könnten.
Da sind viele Zielsetzungen, Regeln, Gebahren in dem jeweiligen Raum, andere dazwischenfunkende Gefühle, Verhältnisse zu den Menschen rund um uns herum und wenn wir diese Elemente nicht identifizieren können: Ein Wirbelwind aus Verwirrung.

Eine Sache, von der ich denke, dass sie sehr oft im Bezug auf Autisten falsch verstanden wird: Wir fühlen so so so viel. Wir fühlen so stark, so allumfassend, so bar und heftig, dass unser Lebensinhalt ein einziges Bändigen dieses unaufhörlichen Gefühls-Tsunamis zu sein scheint.
Wir legen schon von Kindesbeinen unsere Rüstung mit ihren vielen Lagen an, um uns einzufinden und uns und andere vor den Konsequenzen der wahnsinnig intensiven Gefühlsregungen in uns zu schützen.

In den Zeiten, wo ich noch meine hochentwickelte Rüstung in voller Montur trug, bin ich ans Amateurtheater gekommen.
Ich bin Teil von so manchem Stück gewesen, mit einem wunderbaren Regisseur, einem immer lieben Ensemble und einem wieder und wieder begeisterten Publikum.

Es macht Spaß und ist ein schönes Hobby dem man nachgehen kann, eine Herausforderung und ein schönes Ventil, die eigenen Gaben zu erforschen.

Aber zu wenig war mir klar, dass ein Theaterstück nicht ohne Gründe eine Komfortzone für mein Inneres ist:

  • Es gibt ein Skript

  • Jemand sagt mir genau, wie ich mich verhalten soll

  • Es ist mit keinen großen Überraschungen zu rechnen

  • Jede Szene wird mehrfach geprobt

  • Ich kann aus meiner Rüstung schlüpfen und jemandes anderen Maske anlegen

  • Es gibt einen sicheren Rahmen, jegliche gegebenen Dinge in einer geschlossenen Umgebung zu fühlen

  • Alles was einen umgibt steht fest und hat einen bestimmten Sinn

  • Für eine kurze Zeit kann es so sein, wie man es gerne hätte um die eigene Geschichte täglich voranzubringen