Schuld
Das Gefühl der Gewissensbisse, wenn man Erwartungen durch eigene Unzulänglichkeit nicht erfüllt hat.
Ich bin einfach geflohen. Ich konnte nicht ordentlich funktionieren und es gab 1000 Gründe dafür. Keinen konnte ich aber aussprechen, denn keiner von ihnen war der eigentliche Grund. Es fing vielleicht mit einem einzigen an, aber ich könnte ihn nicht identifizieren, denn jeder weitere Grund wird je komplizierter, desto mehr Gründe in die Mischung gelangen und jeglichen Sicherheitsmechanismus außer Kraft setzen.
Ich wollte ja so gerne meine besten Seiten zeigen und alle Indizien guter Erlebnisse mit mir treffen.
Aber dann: Etwas ändert sich, ein paar Faktoren kippen, ich bin nicht mehr vollständig vorbereitet und muss nun zusätzliche Energien aufwenden um in der neuen Situation klarzukommen.
Das Gefühl von Schuld ist hässlich, kann aber gelöst werden.
Schuldgefühle
Schande.
Du hast es nicht geschafft! Du hast verloren! Du bist dem nicht gewachsen. Du passt da nicht rein. Wohin gehörst du?
Und warum hast du es nicht schaffen können? Eine gute Zeit mit Leuten haben, was ist so schwer daran? Sonst schaffst du das ja auch, warum jetzt nur nicht?
Warum funktionierst du nicht auf Kommando? Was sollte so groß, so schwer, so brutal sein, dass es dich nicht deine besten Seiten zeigen lässt?
Was ist dein Plan, was ist die Logik hier? Wie kannst du denn schöne Bindungen aufbauen, wenn du auf einmal kaum mehr redest? Was ist dein Ziel mit deinem Verhalten?
Was ist mit deinen guten Tagen, kannst du nicht mehr so sein wie an denen?
Erwartungen
Wie MÖCHTEST du es denn haben?
Es kommt drauf an, wie immer halt. Mein Leben besteht aus den externen Faktoren und dem, was ich selbst mitbringe.
Manche Dinge können verändert werden, manche Dinge können nicht geändert werden, manche Dinge sind nicht einfach zu ändern.
Wir mögen alle bestimmte Dinge und sollten uns darauf einstellen, andere diese Dinge erlebbar zu machen. Angefangen bei grundsätzlicher menschlicher Wärme, bis hin zu selbstlosen guten Taten.
Es gibt zu jeder Zeit Erwartungen, versteckt, impliziert, klar ausgesprochen, manchmal auch nur projiziert, von mir selbst, auf mich selbst. Es braucht ein extremes Level an Selbstreflexion, um letztere zu erkennen.
So sehr diese Erwartungen auch von der Situation abhängig sind, kann man sie entweder erfüllen oder nicht erfüllen.
Erwartungen zu erfüllen wird oft als selbstverständlich angesehen, aber wenn ich eine nicht erfüllen kann, entsteht ein Loch was mit einer Erklärung gefüllt werden möchte:
Was war der Grund? Finde ich es in Ordnung, die Erwartung nicht erfüllt zu haben? Lerne ich etwas aus der Situation? Beeinflusst diese Situation mein Wohlbefinden?
Aha!
Um diese Fragen gut zu beantworten, muss ich meine Werte kennen, auch bekannt unter den Dingen die mir wichtig sind.
Jedoch ist das nahezu unmöglich, ohne mich auch nur ein kleines Bisschen selbst zu kennen.
Unzulänglichkeiten
Wir sind alle nicht perfekt. Kein Zweifel, alle stolpern.
Da liegt der individuelle und ultimative Unterschied aber in der Verarbeitung dieser Unzulänglichkeit, was wiederum sehr dicht damit verbunden ist, wie wir dieselbe vor uns selbt erklären.
Die Mehrheit der Menschen führt ein Fehltritt im täglichen Leben zu ähnlichen Erklärungen und damit auch zu ähnlichen Weisen, damit umzugehen.
Aber da gibt es Menschen die im tiefsten Inneren anders funktionieren, was Auswirkungen auf das Verhalten und die Verarbeitung der äußeren Einflüsse hat. Das betrifft Menschen mit Autismus, wie mich selbst.
Eine Lösung?
Schuld spielt eine große Rolle in den Leben autistischer Menschen.
Alles hierüber habe ich in der Gewissheit geschrieben, von dem Phänomen betroffen zu sein.
Und eben das ist genau der Grund, warum die erbarmungslosen Schuldgefühle weitestgehend ein Ding der Vergangenheit geworden sind.
Ich kenne nun meine Bedürfnisse, ich kann Erwartungen an mich selbst korrekt setzen und kann mit anderen, die sonst aus meiner Sicht einfach für alle Regeln verantwortlich waren, zusammenarbeiten und die Erwartungen abklären.
So oft musste ich dasitzen und konnte mir keinen Reim auf meine Gefühle machen, nach dem ich von einer Situation mit aus menschlicher Sicht akzeptablen Erwartungen überwältigt gewesen bin.
Ich fühlte mich schuldig, ohne mir das einzugestehen und dann korrekt darauf zu reagieren. Es ist eine gefährliche Kraft, von einer Sache auszugehen als ob sie so sein müsse, ganz ohne sie nach den eigenen Werten zu hinterfragen.
Aber das Erkennen der eigenen Funktionsweise ist eine sehr schwer zu erlangende. Dazu noch, ein ganz anderes Thema, die Zielsetzung des eigenen Lebens.
Ganz ab davon ist es nur das eine Ding, das Verständnis meiner eigenen Natur gegenüber, was mein Leben immens verbessert hat. Nicht ohne Hilfe und nicht ohne Tränen und nicht ohne Schmerzen ging das zu.
Und einer kann beachtliche Strecken gehen, wenn er weiß welche schmerzvolle Veränderung zum Guten dient und welche Ungemütlichkeit er nicht tolerieren muss.
Ich muss mich immer noch mit Erwartungen auseinandersetzen, wie jeder, ich kann sie immer noch nicht alle erfüllen, wie keiner es kann, aber ich weißt jetzt viel besser warum.
Und das ist eine ziemlich gute Lösung für alle drückenden Fragen, die meinem Leben Schuld in die Schuhe schieben wollen.