Es noch einmal durchziehen
Wir verbringen unsere Zeit in Erwartung. Scrollend, neu ladend, nachsehend.
Ich selber ertappe mich immer wieder schmerzlich dabei, wie ich das Checken meines Smartphones ungewollt zur Hauptbeschäftigung werden lasse.
Worauf warten wir aber? Warum fühlen wir uns so verantwortlich gegenüber diesem schwarzen Spiegel?
Kurz gesagt denke ich, dass er ein wesentlicher Bestandteil von uns geworden ist, der Menschen und der Gesellschaft.
Genau so wie wir im jungen Alter die Kontrolle über unseren Körper gemeistert haben und gelernt haben, auf bestimmte sensorische Reize zu reagieren, haben wir nun eine weitere Quelle von diesen Reizen in unsere Köpfe zu verweben.
Und genau so wie wir einst an Orte gehen mussten für Aussichten oder Neuigkeiten oder wortwörtlich Informationen „in die Hände bekommen“ mussten, ist das alles nun viel leichter und praktisch vereinheitlicht, durch dieses eine bestimmte Fenster, dieses Portal, welches uns überall hin bringt und alles Erdenkliche geben kann.
Mit diesem Potenzial können wir viel schneller kommunizieren, von allen Ecken der Erde zusammenarbeiten, wir können Wissen jenseits unserer Vorstellungskraft abrufen und müssen uns nicht zu sehr darum Gedanken machen, wo wir gerade eigentlich sind um das zu erreichen.
Aber was ist es noch wert, wo wir sind oder wen wir treffen, wenn wir doch alles und jeden in unserer Hosentasche haben?
Sicherlich, es macht noch einen Unterschied. Aber der wird von Tag zu Tag kleiner. Schau dich einmal in der U-Bahn um oder am Bahnhof oder im Wartezimmer beim Arzt.
Wir gewöhnen uns daran, es ist Teil unseres Alltages, denn von dem findet ja ein Großteil innerhalb unseres Smartphones statt.
Wir erwarten sogar direkte Antworten, Updates und Statusmeldungen, in einer Weise die damals auch das best-organisierteste Post-System in die Knie gezwungen hätte.
Aber was würde mit uns Menschen und mit unserer Gesellschaft passieren, wenn niemand mehr mal über den Bildschirm hinaus schauen würde und darüber hinaus, was an diesem wunderlichen Ort „Internet“ so passiert?
Wir sind an dem Punkt wahrscheinlich noch nicht angekommen, aber ich plane auch nicht, mich dort wiederzufinden.
Anstatt dessen möchte ich etwas durchziehen, noch einmal.
Genauso wie ich damals alle meine Kommunikation vom Smartphone verbannte, als ich nach Neuseeland ging.
Denn nun werde ich für 6 Monate an einem anderen Ort leben und weiter für dieselbe Firma arbeiten und habe die Chance, Teile meines Lebens anders zu gestalten.
Das ist der Plan: Ich werde mein Smartphone von jeglicher Direktnachrichten-Funktion, von jeder Unterhaltungs-App, von jedem Social-Media-Element trennen und nur die absolut notwendigen Dinge behalten, damit ich durch die Welt navigieren kann.
Natürlich behalte ich die ganzen Kommunikationskanäle auf einem anderen Gerät bei, aber das wird auf einen Ort beschränkt, wenn nicht sogar auf einen Raum.
Möglicherweise werde ich dieses andere Gerät nur an bestimmten Tageszeiten nutzen.
Gewiss, meine Arbeit wird weiter digital sein und ich werde auch nicht aufhören, digitale Unterhaltung in meiner Freizeit zu nutzen. Aber ich möchte klare Grenzen zwischen dieser sogenannten „echten Welt“ und der digitalen Welt online haben.
Das ermöglicht es mir, meine Gedanken außerhalb von der Hosentasche zu belassen. Ich werde keinen Gedanken dafür benutzen, ob nicht irgendetwas neues in meiner Tasche ist. Ich werde Straßen entlanggehen und werde dort sein, auf diesen Straßen. Ungeteilt und ohne eine digitale alternative Realität und ohne die Möglichkeit, an den warmen Busen des unendlichen Scrollens zu flüchten…
Ein wenig fürchte ich mich dennoch: Wo werde ich mich wiederfinden? Was wird passieren, wenn ich nur auf meine natürlichen Kommunikationsmittel zurückgreifen kann?
Eins ist dabei sicher: Es wird ein weiteres großartiges Abenteuer! Und ich bin dankbar, diese Reise antreten zu können!
Vielleicht werde ich herausfinden was es bedeutet eine einzelne organische Person zu sein, anstatt eines zweigeteilten Wesens: Halb aus Fleisch und Blut, halb im Cyberspace schwebend.
Würdest du das nicht auch gerne wissen?